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Mit freundlicher Genehmigung des Morus-Verlages, Berlin
MIT BRENNENDER SORGE
Enzyklika
PAPST PIUS' XI.
vom 14. März 1937 über die Lage der katholischen Kirche im Deutschen Reich
Herausgegeben vom BISCHÖFLICHEN ORDINARIAT BERLIN
1946 MORUS-VERLAG -BERLIN
VORWORT
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Copyright 1946 by Morus-Verlag, Berlin
Der Morus-Verlag ist von der Nachrichtenkontrolle der Amerikanischen Militärregierung zugelassen. Lizenz Nr. B 202
Druck: Druckhaus Tempelhof, Berlin. 12. 46. 5000.
In dem Vorwort wollen wir den Leser zunächst an einige kirchen-geschichtliche Ereignisse kurz erinnern, die der Herausgabe der welt­berühmten Enzyklika Papst Paus' XI. „Mit brennender Sorge"1) an den katholischen Erdkreis vorausgingen.                   
Anschließend soll ein Überblick über die Maßnahmen folgen, die der Bischof von Berlin traf, um die Veröffentlichung der päpstlichen Botschaft im Bezirk des Bistums Berlin trotz der Gestapo zu er­reichen. Schließlich sollen einige der Folgen, die sich aus der Ver­lesung der Enzyklika ergaben, angeführt werden, soweit der Bischof von Berlin davon berührt oder damit befaßt wurde. Die nationalsozialistische Reichsregierung ergriff bereits im April 1933 die Initiative,,um mit der Kurie über den Abschluß des Reichs-konkordates zu verhandeln. Diese Verhandlungen gingen so schnell vor sich, daß der Text des Konkordates bereits am 8. Juli 1933 para­phiert wurde. Am 20. Juli 1933 wurde er von den Vertragspartnern im Vatikan unterzeichnet. Die Veröffentlichung erfolgte am 10. Sep­tember 1933 in den Acta Apostolicae Sedis, dem offiziellen Organ des Heiligen Stuhles, und im Reichsgesetzblatt am 12. September 1933. Rückblickend kann man feststellen, daß der Abschluß des Reichskonkordates von Adolf Hitler als nichts anderes als ein be­wußtes Täuschungsmanöver gegen die Kirche, gegen das Inland und das Ausland geplant und durchgeführt worden war. Demzufolge zeigten die nach Abschluß des Konkordates von (Jen Vertretern des deutschen Episkopats geführten Verhandlungen über die Ausfüh­rungsbestimmungen, daß die Reichsregierung nicht gewillt war, loyal die einzelnen Artikel des Konkordates durchzuführen. Zu der gleichen Ansicht mußte der Heilige Stuhl kommen, dem das Aus­wärtige Amt auf alle Proteste und Beschwerden wegen Verletzung des Konkordates ausweichend und unsachlich antwortete. Papst Paus XL entschloß sich daraufhin, in einer eigenen Enzyklika sowohl die unaufhörlichen Vertragsverletzungen der nationalsozia­listischen Reichsregierung als auch den wahren Stand\des religiösen
1) Die Vorgeschichte dieser Enzyklika hat der Generalvikar der Erzdiözese Freiburg, Dr. Simon Hirt, in seinem Artikel „Die Auseinandersetzung über die Enzyklika, „Mit brennender Sorge" in ihren geschichtlichen Zusammenhängen" in der katho* lischen Reihe „Das christliche Deutschland 1933—1945 Heft 1 (Herder, Freiburg i. Br.) geschrieben. In dem gleichen Heft sind auch eine Reihe von Dokumenten abgedruckt, die die Noten und Briefe zwischen der Reichsregierung; und dem Hl. Stuhl bzw. dem deutschen Episkopat nach der Veröffentlichung enthalten.
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Lebens in Deutschland gegenüber der verlogenen Propaganda dar­zulegen. Über dies hinaus sollte die Enzyklika jene Wahrheiten des katholischen Glaubens darstellen, die Gegenstand besonderer An-griffe der nationalsozialistischen Weltanschauung waren. Zugleich wollte der Papst den bedrängten deutschen Katholiken ein Wort des Trostes senden.
Ein Zeichen für die bedrängte Lage, aber auch für den Abwehrwillen der katholischen Kirche in Deutschland war, daß der deutsche Epis­kopat sich in dem schweren Kampfjahr 1937 zweimal zu einer Plenar-konferenz in Fulda zusammenfand, während sonst die Konferenz nur einmal im Jahre in der zweiten Augusthälfte stattfand. In gemein­samer Beratung wurden,dort die Maßnahmen festgelegt, die die Frei­heit des religiösen Lebens schützen sollten.
Infolge der kirchenfeindlichen Maßnahmen von Staat und Partei im Jahre 1936, aber auch im Hinblick auf die sich abzeichnende Entwick­lung, war es Anfang 1937 erkennbar, daß der Nationalsozialismus weitere, härtere Schläge als bisher gegen die katholische Kirche plante. Am 12. und 13. Januar 1937 fand in Fulda die außergewöhnliche Bischofskonferenz statt. Unmittelbar nach der Konferenz begaben sich die drei deutschen Kardinäle: Erzbischof Dr. Adolf Bertram von Bres­lau, Erzbischof Dr. Michael von Faulhaber, München, Erzbischof Dr. Joseph Schulte, Köln, und die beiden Bischöfe Dr. Konrad Graf von Preysing, Berlin, und Clemens August Graf von Galen, Münster, auf Einladung des Papstes nach Rom. Die geplante Reise wurde so geheimgehalten, daß selbst die anderen Mitglieder der Bischofs-konferenz nichts davon wußten. Der 80jährige Papst Paus XL, den Krankheit zum erstenmal in seinem Leben zwang, das Bett zu hüten, empfing gemeinsam mit dem Kardinalstaatssekretär Pacelli die Ver­treter des deutschen Episkopats am 17. Januar 1937, 10 Uhr vormit­tags, in seinem Schlafzimmer. Bischof von Preysing hat über diese Konferenz in Stichworten eine Niederschrift abgefaßt, in der es heißt: „Ergreifend vor allem die übernatürliche Auffassung seines Leidens; er sei bisher im Leiden unerfahren gewesen, Analphabet, Gottes Güte habe ihm Gesundheit gegeben, und die Arbeit war ihm Freude — nunmehr soll er in die Leidensschule gehen, um Christi Leiden besser zu verstehen — ut misericors fieret (damit er barmherzig würde); in einer so steinigen, so trüben, so bedrohlichen Lage opfere er diese Leiden auf für alle die leidenden Glieder des Leibes, haupt­sächlich pro Germania, für Deutschland. —
Ergreifend war sein Gottvertrauen: ,Er hat nicht gesagt: „Ich werde bei euch sein", sondern: „Ich bin bei euch!" Er ist noch im beson­deren bei uns in der heiligen Eucharistie.' Er hoffe auf Gottes Bei­stand, so schwer die Sorgen seien. —
Tief empfundene Anerkennung für Kardinal Pacelli; mit Tränen in den Augen dankte er ihm für die ungeheuer große Arbeit. Es gehe keine Zeile heraus, von der er nicht Kenntnis habe.
Zum Schluß dankte er für alle Gebete — man möge aber nicht eigentlich für seine Wiederherstellung beten, sondern dafür, daß er arbeitsfähig bleibe.
Er wolle mit dem hl. Martinus von'Tours sagen: Non recuso laborem (ich scheue nicht vor der Arbeit zurück) und das Wort ergänzend erweitern: Peto laborem, non recuso dolorem (ich verlange nach der Arbeit und scheue nicht vor dem Schmerz zurück)! Besonderen Segen für die Berliner Diözese; als capitale habe sie ein Anrecht auf etwas Besonderes.
Er sei nicht Pessimist von Natur; er sei es auch nicht, weil er meine, Gott habe mit der Zeit etwas Besonderes vor — non praevalebunt (sie werden sie nicht überwinden)."
Welchem Ziel diente die mündliche Berichterstattung, die der Papst trotz seiner Krankheit von den deutschen Bischöfen entgegennahm? Er wollte sich unmittelbar durch die berufenen Hüter und Ver­teidiger der religiösen Freiheit in Deutschland über die Lage infor­mieren lassen, ehe er sich entschloß, den nationalsozialistischen Staat und die nationalsozialistische Partei vor aller Welt der Christenverfolgung anzuklagen.
Es war natürlich vorauszusehen, daß der nationalsozialistische Staat die Veröffentlichung der Enzyklika mit allen Mitteln zu verhindern suchen würde, wenn er vorher von dem Inhalt Kenntnis erhielte. Daher mußten die Vervielfältigung und der Versand der einzelnen Exemplare an die Pfarrämter möglichst geheim vor sich gehen. Am Sonntag, dem 14. März 1937, überreichte der Apostolische Nun-tius Cesare Orsenigo dem Bischof von Berlin zwei Exemplare der päpstlichen Enzyklika, die durch Sonderkurier von Rom nach Berlin gebracht worden war. Am Montag, dem 15. März, beriet sich der Bischof mit seinen kirchenpolitischen Sachbearbeitern über die Frage, in welcher Form die Enzyklika vervielfältigt werden sollte. Das Naheliegende, den Text in der „Germania" drucken zu lassen, konnte wegen der Gefahr des Verrates an die Gestapo nicht in Be­tracht gezogen werden. Aus dem gleichen Grunde wurde auch der Plan, sie in der Salvatordruckerei drucken zu lassen, zunächst fallen gelassen. Die Besprechung führte zu dem Ergebnis, daß trotz des umfangreiches Textes die Vervielfältigung mit Wachsplatten her­gestellt werden sollte. Zu diesem Zweck wurde ein abseits von den Verwaltungsräumen liegendes Zimmer ausgewählt, so daß auch innerhalb des Bischöflichen Ordinariats in der Behrenstraße die Ar­beit durchgeführt werden konnte, ohne unnötiges Aufsehen zu er­regen.
Um die Texte ohne Inanspruchnahme der Post den einzelnen Pfarr­ämtern der räumlich ausgedehnten Diözese zustellen zu können, wurde folgender Plan festgelegt: Die Erzpriester von Groß-Berlin wurden für Sonnabend, den 20. März, zum Bischöflichen Ordinariat bestellt, um dort für die Pfarreien ihres Archipresbyterats die Texte"
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zu empfangen. Die Pfarreien in Brandenburg und Pommern wurden zu Gruppen zusammengestellt, denen Kuriere mit Kraftwagen die Enzyklika im Laufe des Freitag und Sonnabend zuzustellen hatten. Am Dienstag, dem 16. März, suchte der Apostolische Nuntius den Kardinal von Breslau auf, um mit dem Vorsitzenden der Bischofs­konferenz den Termin festzulegen, wann die Enzyklika verlesen werden sollte. Da der Termin der Veröffentlichung im „Osservatore Romano" für die Ausgabe am 22.—23. März vorgesehen war, blieb keine andere Wahl, als den Palmsonntag, den 21. März, als Ver­lesungstag zu bestimmen. Denn nach dem 22. März würde die Welt­öffentlichkeit von dem Inhalt Kenntnis haben, und die Reichsregie-rung würde alles daransetzen, um innerhalb Deutschlands jede Ver­breitung der Enzyklika zu unterbinden. Am gleichen Dienstag fuhren die Kuriere der Nuntiatur nach Süd- und Westdeutschland, um den Bischöfen die Texte der Enzyklika zu überbringen. Nach vorsichtiger Schätzung hatten am Dienstag abend ca. 100 Per-sonen in Deutschland Kenntnis von dem Inhalt der Enzyklika. Diese Zahl mußte' sich von Tag zu Tag erhöhen. Wird die Stapo oder eine Parteistelle oder eine Staatsstelle durch eine Unvorsichtigkeit oder durch Verrat vorzeitig von der Enzyklika Kenntnis erhalten? — war die bange Frage. Wider alles Erwarten erfuhren die Staats- und Parteistellen bis Sonnabend, den 20. März, nichts. Der Bischof "be­zeichnete das als ein halbes Wunder. Dann aber liefen Informationen bei der Stapo und bei den Ministerien ein, die zunächst in unbe­stimmter Form auf eine ungewöhnliche, scharfe Stellungnahme der Kirche gegen den Nationalsozialismus schließen ließen. Am Sonn­abend mittag rief z. B. die Redaktion einer Londoner Zeitung in Berlin an und verlangte den Text der Enzyklika von ihrer Berliner Vertretung. Am Nachmittag gegen 17 Uhr erschienen Beamte der Gestapo im Germania-Verlag und erkundigten sich nach dem Druck eines Hirtenbriefes, „dessen Inhalt für Staat und Partei erschütternd" sein solle. Der gefragte Schriftleiter konnte mit gutem Gewissen alles Wissen über diesen angeblichen Hirtenbrief abstreiten. Darauf­hin riefen die Beamten bei dem Direktor des Verlages und bei den beiden Prokuristen in der Wohnung an und stellten dieselbe Frage. Auch hier erhielten sie einen negativen Bescheid. Alle Polizei­stationen wurden alarmiert und erhielten den Befehl, auf jeden Fall die Verbreitung des „Hirtenbriefes" in gedruckter Form zu unter­binden. Die Enzyklika.wurde in allen Kirchen und Kapellen fast ohne jeden Zwischenfall verlesen. Nur in der Pfarrei Eichwalde bei Ber­lin wurde der Text nach der Verlesung von der Polizei beschlagnahmt. Auf der Pfarrei Eberswalde erschienen am gleichen Sonntag, mor­gens 6.30 Uhr, zwei Beamte und fragten, ob der heute zur Verlesung kommende „Hirtenbrief" auch in gedruckter Form verbreitet würde. Als der Pfarrer dies verneinte, gaben sie sich zufrieden. Als ungewollter, aber aufschlußreicher Kommentar zu der Enzyklika
erschien am Montag, dem 22, März 1937, im „Völkischen Beobach­ter" der Artikel „Treuepflicht und Reichskonkordat". Darin wurde mit nationalsozialistischen Argumenten das Recht des Staates dar­gelegt, vertragsbrüchig werden zu können. Somit wurde unfreiwillig die Wahrheit des ersten Teils der Enzyklika bestätigt. Das Reichs­propagandaministerium erkannte die für die Reichsregierung pein­liche Situation und verbot der Presse den Nachdruck des Artikels mit der. gleichzeitigen Feststellung, daß er nicht als Antwort auf die Enzyklika anzusehen sei. Der deutschen Presse wurde ferner ver­boten, von der Enzyklika Notiz zu nehmen. Wie völlig überrascht die amtlichen Stellen waren, bewies die fernmündliche Bitte des amtlichen deutschen Nachrichtenbüros (DNB) an das Bischöfliche Ordinariat am 22. März um Überlassung des Textes. Während die ausländischen Zeitungen bereits in größter Aufmachung davon be­richteten, hatte- das offizielle Deutsche Nachrichtenbüro also noch nicht einmal den Text vorliegen. Aus zuverlässiger Quelle erfuhr der Bischof, daß Hitler über die Enzyklika einen Wutanfall bekommen und der Gestapo schwerste Vorwürfe wegen der mangelnden Über­wachung gemacht hatte. Im Auswärtigen Amt und in allen anderen Ministerien war man äußerst verstimmt.
Da am Montag, dem 22. März, nicht die erwarteten staatspolizei­lichen «Maßnahmen erfolgten, entschied der Bischof, daß in der Sal-vatordruckerei 30 000 Exemplare der Enzyklika zur weiteren Ver­breitung gedruckt werden sollten. Am Mittwoch, dem 24. März, aber ging folgender Schnellbrief des Reichskirchenministers beim Bischöf­lichen Ordinariat ein:
„Das päpstliche Rundschreiben an die Erzbischöfe und Bischöfe Deutschlands vom 14. März 1937 stellt eine schwere Verletzung der im Reichskonkordat festgestellten Vereinbarungen dar. Es steht im krassen Widerspruch mit dem Geist des Konkordats und seinen aus­drücklichen Bestimmungen.
Das Rundschreiben enthält schwere Angriffe auf das Wohl und Inter­esse des deutschen Staatswesens. Es versucht, die Autorität der deut­schen Reichsregierung herabzusetzen, das Wohl des deutschen Staatswesens nach außen zu schädigen und vor allen Dingen durch den unmittelbaren Appell des Vertragspartners der Reichsregierung an die katholischen Staatsbürger den inneren Frieden der Volks­gemeinschaft zu gefährden. Für ein derartiges feindseliges Verhalten bietet das Reichskonkordat keine Freistatt. Es wird weder durch seinen Geist noch durch die ausdrücklichen Bestimmungen ge­deckt.
Daher werden den Bischöfen und sonstigen Ordinarien unter Be­rufung auf Artikel 4 des Reichskonkordates vom 20. Juli 1933 Druck, Vervielfältigung und Verbreitung des Rundschreibens in jeder Form verboten.
In Vertretung gez. Dr. Muhs."
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Daraufhin ordnete der Bischof an, die Salvatordruckerei möchte ver­ständigt werden, den Druck nicht weiter fortzusetzen. Die Exemplare waren aber bereits ausgedruckt. Der Bischof ließ sie unauffällig ins Bischöfliche Ordinariat kommen und verbarg sie in seinen Fremden­zimmern. Am 26. März erließ auf Befehl Hitlers SS-Obergruppen­führer Heydrich eine Anordnung an alle Gestapostellen, die folgende drei Maßnahmen befahl:
„1. Alle vorhandenen Exemplare der Enzyklika sind zu be­schlagnahmen. Laien sind sie in geeigneter Form wegzu­nehmen. Kirchen, Pfarrhäuser, Klöster sind nicht zu durch­suchen.
2.  Amtsblätter, die die Enzyklika abgedruckt haben, sind auf drei Monate zu verbieten.
3.  Druckereien und Verlage, die sie gedruckt haben, sind so­fort zu schließen. Die hierfür Verantwortlichen sind nach Berlin zu melden."
Jn dem Erlaß wurde ferner mitgeteilt, daß weitere Maßnahmen folgen würden.
Bereits am Karfreitag begannen in ganz Deutschland die Staats­polizeistellen mit der Ausführung dieses Befehls. Durch umsichtiges Handeln gelang es dem Bischof, die 30 000 Exemplare der gedruckten Enzyklika vernichten zu lassen, so daß die Salvatordruckerei vor dem sicheren Untergang bewahrt blieb. Die Wirtschaftsgruppe Papier und Druck, die Treuhänder der Arbeit und die Deutsche Arbeitsfront sezten sich für die betroffenen Druckereien ein. Sie wiesen darauf hin, daß nicht so sehr die Drucker und ihre Arbeiter im Sinne des Staates schuldig wären als vielmehr die kirchlichen Würdenträger, die den Auftrag zum Druck erteilt hätten. Dieselbe Auffassung ver­trat zunächst auch der Sachbearbeiter auf dem Gestapoamt in der Prinz-Albrecht-Straße. Er äußerte zu einigen betroffenen Druckerei­besitzern, die bei ihm vorsprachen: „Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich weiter nach oben gegriffen. Die fünf Bischöfe, die in Rom gewesen sind, haben die Sache eingebrockt. Wenn ich zu bestimmen hätte, hätte ich die fünf Burschen an der Grenze ver­haftet. Stellen Sie sich vor, Stalin bestellt in München bei einem Drucker eine kommunistische Broschüre gegen den nationalsozia­listischen Staat. Was würde mit dem Drucker geschehen? Er würde an die Wand gestellt werden. Die Bischöfe haben Landesverrat ge­übt. Die kirchenpolitische Lage ist so gespannt, daß sie gar nicht schärfer sein kann."
Am Montag, dem 5. April, fand in der Berliner Kurie unter dem Vor­sitz des Bischofs von Preysing eine Besprechung von Vertretern derjenigen Ordinariate statt, in deren Bezirk Druckereien geschlossen worden waren. Zu gleicher Zeit beriet in Berlin auch die andere Seite über das kommende Schicksal der beschlagnahmten Drucke­reien. Während sich die Vertreter der weltlichen berufsständischen
Organisationen für die Wiedereröffnung einsetzten, sprachen sich die Vertreter der Gestapo und des Propagandaministeriums scharf dagegen aus. Sie erklärten, daß keinerlei Rücksicht auf die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen zu nehmen sei, daß vielmehr die Angelegenheit rein politisch zu beurteilen sei.
In der Pfarrei St. Michael, Berlin, stellte Kaplan Hack mit dem Abziehapparat Tausende von Exemplaren der Enzyklika her und verteilte sie an die Berliner Katholiken. Die Gestapo kam in der ersten Aprilhälfte dahinter, hielt Haussuchung und beschlagnahmte die noch vorhandenen Exemplare und den Apparat und verhaftete einige Tage später den Kaplan, der für seinen Mut mit 100 Tagen Einzelhaft im Berliner Polizeipräsidium büßen mußte. Am 15. April veröffentlichte das Deutsche Nachrichtenbüro folgende Meldung:
. DEUTSCHER PROTEST BEIM VATIKAN
Der deutsche Botschafter beim Vatikan hat im Auftrage der Reichsregierung in einer dem Kardinalstaatssekretär übermittelten Note gegen die Ausführungen der päpst­lichen Enzyklika vom 14. März schärfste Verwahrung eingelegt.
Am 1. Mai nahm Hitler auf der großen Kundgebung im Berliner Lust-garten zu der päpstlichen Enzyklika öffentlich Stellung: „... Auch die Kirchen unterstehen der Staatsautorität. Das gilt auch für alle Kirchen. Soweit sie sich um ihre religiösen Probleme küm­mern, kümmert sich der Staat nicht um sie. Wenn sie versuchen, durch irgendwelche Maßnahmen, Schreiben, Enzykliken usw. sich Rechte anzumaßen, die nur. dem Staat zukommen, werden wir sie zurückdrücken in die ihnen gebührende geistlich-seelsorgerische Tätigkeit. Es geht auch nicht an, von dieser Seite aus die Moral eines Staates zu kritisieren, wenn man selbst mehr als genug Grund hätte, sich um die eigene Moral zu kümmern. Für die deutsche Staats- und Volksmoral wird schon die deutsche Staatsführung Sorge tragen das können wir all den Besorgten in und außerhalb Deutschlands versichern...."
Mit dem Erlaß vom 25. Mai 1937 erklärte der Reichsinnenminister unter Bezugnahme auf das Gesetz vom 14. Juli 1933 über Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens, daß die Druckereien, die das päpstliche Rundschreiben gedruckt hatten, damit volks- und staatsfeindliche Bestrebungen verfolgt haben. Demzufolge wurden die Druckereien enteignet. Hiervon wurden im deutschen Reichs­gebiet 12 Druckereien betroffen, die ingesamt über 200 000 Exem­plare der Enzyklika hergestellt hatten.                                         Gegen diese Maßnahme legte Kardinal Bertram von Breslau durch Schreiben vom 11. 6. 1937 an den Reichsinnenminister namens der deutschen Bischöfe feierlich Verwahrung ein.
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Dieser kurze Rückblick auf die mit der Enzyklika im Zusammen­hang stehenden Ereignisse im Bistum Berlin zeigt zur Genüge, wie hart, wie schwer der Kampf der Kirche war. Niemand konnte mit Sicherheit voraussagen, wie die Reichsregierung auf die Veröffent­lichung dieses Dokumentes reagieren würde. Bischof Graf von Prey-sing rechnete mit seiner Verhaftung und traf am Sonnabend, dem 20. März, für diesen Fall die erforderlichen Dispositionen. Der Leser wird bei der Lektüre dieses historischen Dokumentes an die schweren und dunklen Zeiten erinnert werden, die die Kirche unter der nationalsozialistischen Religionsverfolgung durchleben mußte.
Mag auch die Enzyklika in dem einen oder anderen Teil nur noch geschichtliches Interesse beanspruchen können, in ihrem Kern ent­hält sie in meisterhafter Kürze und in klarer Form die Darstellung der für alle Zeiten geltenden religiösen Wahrheiten.
UND BISCHÖFE DEUTSCHLANDS
UND DIE ANDEREN OBERHIRTEN
DIE IN FRIEDEN UND GEMEINSCHAFT
MIT DEM APOSTOLISCHEN STUHLE LEBEN
ÜBER DIE LAGE DER KATHOLISCHEN KIRCHE IM DEUTSCHEN REICH
PAPST PIUS XI.
EHRWÜRDIGE BRÜDER, GRUSS UND APOSTOLISCHEN SEGEN!
Mit brennender Sorge und steigendem Befremden beobachten Wir seit geraumer Zeit den Leidensweg der Kirche, die wachsende Be­drängnis der ihr in Gesinnung und Tat treubleibenden Bekenner und Bekennerinnen inmitten des Landes und des Volkes, dem St. Boni-fatius einst die Licht- und Frohbotschaft von Christus und dem Reiche Gottes gebracht hat.
Diese Unsere Sorge ist nicht vermindert worden durch das, was die Uns an Unserem Krankenlager besuchenden Vertreter des hochwür­digsten Episkopats wahrheits- und pflichtgemäß berichtet haben. Neben viel Tröstlichem und Erhebendem aus dem Bekennerkampf ihrer Gläubigen haben sie Bei aller Liebe zu Volk und Vaterland und bei allem Bestreben nach abgewogenem Urteil auch unendlich viel Herbes und Schlimmes nicht übergehen können. Nachdem Wir ihre Darlegungen vernommen, durften Wir in innigem Dank gegen Gott mit dem Apostel der Liebe sprechen: „Eine größere Freude habe ich nicht, als wenn ich höre: meine Kinder wandeln in der Wahrheit" (3. Joh. 4). Der Unserem verantwortungsvollen aposto­lischen Amt ziemende Freimut und der Wille, Euch und der ge­samten christlichen Welt die Wirklichkeit in ihrer ganzen Schwere vor Augen zu stellen, fordern von Uns aber auch, daß Wir hinzu­fügen: Eine größere Sorge, ein herberes Hirtenleid haben Wir nicht, als wenn Wir hören: viele verlassen den Weg der Wahrheit (vgl. 2. Petr. 2, 2).
Als Wir, Ehrwürdige Brüder, im Sommer 1933 die Uns von der Reichsregierung in Anknüpfung an einen jahrealten früheren Ent-
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wurf angetragenen Konkordatsverhandlungen aufnehmen und zu Eurer aller Befriedigung mit einer feierlichen Vereinbarung ab­schließen ließen, leitete Uns die pflichtgemäße Sorge um die Freiheit der kirchlichen Heilmission in Deutschland und um das Heil der ihr anvertrauten Seelen — zugleich aber auch der aufrichtige Wunsch, der friedlichen Weiterentwicklung und Wohlfahrt des deutschen Volkes einen wesentlichen Dienst zu leisten.
Trotz mancher schwerer Bedenken haben Wir daher Uns damals den Entschluß abgerungen, Unsere Zustimmung nicht zu versagen. Wir wollten Unsern treuen Söhnen und Töchtern in Deutschland im Rahmen des Menschenmöglichen die Spannungen und Leiden er­sparen, die andernfalls unter den damaligen Verhältnissen mit Ge­wißheit zu erwarten gewesen wären. Wir wollten allen durch die Tat beweisen, daß Wir, einzig Christus suchend und das was Christi ist, niemandem die Friedenshand der Mutterkirche verweigern, der sie nicht selbst zurückstößt.
Wenn der von Uns in lauterer Absicht in die deutsche Erde gesenkte Friedensbaum nicht die Früchte gezeitigt hat, die Wir im Interesse Eures Volkes ersehnten, dann wird niemand in der weiten Welt, der Augen hat, zu sehen, und Ohren, zu hören, heute noch sagen können, die Schuld liege auf seiten der Kirche und ihres Oberhauptes. Der Anschauungsunterricht der vergangenen Jahre klärt die Verantwort-lichkeiten. Er enthüllte Machenschaften, die von Anfang an kein anderes Ziel kannten als den Vemichtungskampf. In die Furchen, in die Wir den Samen aufrichtigen Friedens zu pflanzen bemüht waren, streuten andere— wie der inimicus homo der Hl. Schrift (Matth. 13, 25) — die Unkrautkeime des Mißtrauens, des Unfriedens, des Hasses, der Verunglimpfung, der heimlichen und offenen, aus tausend Quellen gespeisten und mit allen Mitteln arbeitenden grund­sätzlichen Feindschaft gegen Christus und seine Kirche. Ihnen und nur ihnen sowie ihren stillen und lauten Schildhaltern fällt die Ver­antwortung dafür zu, daß statt des Regenbogens des Friedens am Horizont Deutschlands die Wetterwolke zersetzender Religions­kämpfe sichtbar ist.
Wir sind, Ehrwürdige Brüder, nicht müde geworden, den verant­wortlichen Lenkern der Geschicke Eures Landes die Folgen darzu­stellen, die aus dem Gewährenlassen oder gar aus der Begünstigung solcher Strömungen sich zwangsweise ergeben müssten. Wir haben alles getan, um die Heiligkeit des feierlich gegebenen Wortes, die Unverbrüchlichkeit der freiwillig eingegangenen Verpflichtungen zu verteidigen gegen Theorien und Praktiken, die — falls amtlich ge­billigt— alles Vertrauen töten und jedes auch in Zukunft gegebene Wort innerlich entwerten müßten. Wenn einmal die Zeit gekommen sein wird, diese unsere Bemühungen vor den Augen der Welt offen­zulegen, werden alle Gutgesinnten wissen, wo sie die Friedens­wahrer und wo die Friedensstörer zu suchen haben. Jeder, dessen
Geist sich noch einen Rest von Wahrheitsempfinden, dessen Herz sich noch einen Schatten von Gerechtigkeitsgefühl bewahrt hat, wird dann zugeben müssen, daß in diesen schweren und ereignis-vollen Jahren der Nachkonkordatszeit jedes Unserer Worte und jede Unserer Handlungen unter dem Gesetz der Vereinbarungs­treue standen. Er wird aber auch mit Befremden und innerster Ablehnung feststellen müssen, wie von der anderen Seite die Ver-tragsumdeutung, die Vertragsumgehung, die Vertragsaushöhlung, schließlich die mehr oder minder öffentliche Vertragsverletzung zum ungeschriebenen Gesetz des Handelns gemacht wurden. Die von Uns trotz allem bezeigte Mäßigung war nicht eingegeben von Erwägungen irdischer Nützlichkeit oder gar unziemlicher Schwäche, sondern lediglich von dem Willen, mit dem Unkraut nicht etwa wertvolles Wachstum auszureißen; von der Absicht, nicht eher öffentlich zu urteilen, als bis die Geister für die Unentrinnbar­keit dieses Urteils reif geworden wären; von der Entschlossenheit, •die Vertragstreue anderer nicht eher endgültig zu verneinen, als bis die eiserne Sprache der Wirklichkeit die Hüllen gesprengt hätte, in die eine planmäßige Tarnung den Angriff gegen die Kirche zu hüllen verstanden hatte und versteht. Auch heute noch, wo der offene Kampf gegen die konkordatsgeschützte Bekenntnisschule und wo die vernichtete Abstimmungsfreiheit der katholischen Erziehungs­berechtigten auf einem besonders wesentlichen Lebensgebiet der Kirche den erschütternden Ernst der Lage und die beispiellose Gewissensnot gläubiger Christen kennzeichnen — rät Uns die Vater­sorge um das Heil der Seelen, die etwa noch vorhandenen, wenn auch geringen Aussichten auf Rückkehr zur Vertragstreue und zu verantwortbarer Verständigung nicht unberücksichtigt zu lassen. Den Bitten des hochwürdigsten Episkopates folgend, werden Wir weiter­hin nicht müde werden, bei den Lenkern Eures Volkes Sachwalter des verletzten Rechts zu sein und Uns — unbekümmert um den Erfolg oder Mißerfolg des Tages — lediglich Unserem Gewissen und Unserer Hirtenmission gehorchend, einer Geisteshaltung zu widersetzen, die verbrieftes Recht durch offene oder verhüllte Ge­walt zu erdrosseln sucht.
Der Zweck des gegenwärtigen Schreibens aber, Ehrwürdige Brüder, ist ein anderer. Wie Ihr Uns an Unserem Krankenlager liebevollen Besuch abgestattet habt, so wenden Wir Uns heute an Euch und durch Euch an die katholischen Gläubigen Deutschlands, die — wie alle leidenden und bedrängten Kinder — dem Herzen des gemein­samen , Vaters besonders nahestehen. In dieser Stunde, wo ihr Glaube im Feuer der Trübsal und der versteckten und offenen Ver­folgung als echtes Gold erprobt wird, wo sie von tausend Formen organisierter religiöser Unfreiheit „umgeben sind, wo der Mangel an wahrheitsgetreuer Unterrichtung und normaler Verteidigungs­möglichkeit schwer auf ihnen lastet, haben sie ein doppeltes Recht
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auf ein Wort der Wahrheit und der seelischen Stärkung von dem, an dessen ersten Vorgänger das inhaltsschwere Heilandswort ge­richtet war: „Ich habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht wanke, und du hinwiederum stärke deine Brüder" (Luk. 22, 32).
Reiner Gottesglaube
Habet acht, Ehrwürdige Brüder, daß vor allem der Gottesglaube, die erste und unersetzbare Grundlage jeder Religion, in deutschen Landen rein und unverfälscht erhalten bleibe. Gottgläubig ist nicht, wer das Wort Gott rednerisch gebraucht, sondern nur, wer mit diesem hehren Wort den wahren und würdigen Gottesbegriff verbindet.
Wer in pantheistischer Verschwommenheit Gott mit dem Weltall gleichsetzt, Gott in der Welt verweltlicht und die Welt in Gott vergöttlicht, gehört nicht zu den Gottgläubigen. Wer nach angeblich altgermanisch-vorchristlicher Vorstellung das düstere unpersönliche Schicksal an die Stelle des persönlichen Gottes rückt, leugnet Gottes Weisheit und Vorsehung, die „kraftvoll und gütig von einem Ende der Welt bis zum andern waltet" (Weis­heit 8, 1) und alles zum guten Ende leitet. Ein solcher kann nicht beanspruchen, zu den Gottgläubigen gerechnet zu werden. Wer die Rasse, oder das Volk, oder den Staat, oder die Staats­form, die Träger der Staatsgewalt oder andere Grundwerte mensch­licher Gemeinschaftsgestaltung — die innerhalb der irdischen Ord­nung einen wesentlichen und ehrengebietenden Platz behaupten — aus dieser ihrer irdischen Wertskala herauslöst, sie zur höchsten Norm aller, auch der religiösen Werte macht und sie mit Götzen­kult vergöttert, der verkehrt und fälscht die gottgeschaffene und gottbefohlene Ordnung der Dinge. Ein solcher ist weit von wahrem Gottesglauben und einer solchem Glauben entsprechenden Lebens­auffassung entfernt.
Habet acht, Ehrwürdige Brüder, auf den in Rede und Schrift zu­nehmenden Mißbrauch, den dreimal heiligen Gottesnamen anzu­wenden als sinnleere Etikette für irgendein mehr oder minder willkürliches Gebilde menschlichen Suchens und Sehnens. Wirkt unter Euren Gläubigen dahin, daß sie solcher Verirrung mit der wachsamen Ablehnung begegnen, die sie verdient. Unser Gott ist der persönliche, übermenschliche, allmächtige, unendlich voll­kommene Gott, einer in der Dreiheit der Personen, dreipersöhlich in der Einheit des göttlichen Wesens, der Schöpfer alles Ge­schaffenen, der Herr und König und letzte Vollender der Welt­geschichte, der keine Götter neben sich duldet noch dulden kann. Dieser Gott hat in souveräner Fassung seine Gebote gegeben. Sie
gelten unabhängig von Zeit und Raum, von Land und Rasse. So wie Gottes Sonne über allem leuchtet, was Menschenantlitz trägt, so kennt auch Sein Gesetz keine Vorrechte und Ausnahmen. Regierende und Regierte, Gekrönte und Ungekrönte, hoch und niedrig, reich und arm stehen gleichermaßen unter Seinem Wort. Aus der Totalität seiner Schöpferrechte fließt seinsmäßig die Totali­tät Seines Gehorsamsanspruchs an die einzelnen und an alle Arten von Gemeinschaften. Dieser Gehorsamsanspruch erfaßt alle Lebens­bereiche, in denen sittliche Fragen die Auseinandersetzung mit dem Gottesgesetz fordern und damit die Einordnung wandelbarer Men­schensatzung in das Gefüge der unwandelbaren Gottessatzung. Nur oberflächliche Geister können der Irrlehre verfallen, von einem nationalen Gott, von einer nationalen Religion zu sprechen, können den Wahnversuch unternehmen, Gott, den Schöpfer aller Welt, den König und Gesetzgeber aller Völker, vor dessen Größe die Nationen klein sind wie Tropfen am Wassereimer (Is. 40,15), in die Grenzen eines einzelnen Volkes, in die blutmäßige Enge einer einzelnen Rasse einkerkern zu wollen.
Die Bischöfe der Kirche Christi, aufgestellt „für das, was sich auf Gott bezieht" (Hebr. 5, 1), müssen darüber wachen, daß solche ver­derblichen Irrtümer, denen noch verderblichere Praktiken auf dem Fuße zu folgen pflegen, innerhalb der Gläubigen nicht Boden fassen. Ihre heilige Amtspflicht ist es, soviel an ihnen liegt, alles zu tun, damit die Gebote Gottes als verpflichtende Grundlage des sittlich geordneten privaten und öffentlichen Lebens geachtet und befolgt werden; daß die Majestätsrechte Gottes, der Name und das Wort Gottes nicht verunehrt werden (Tit. 2,5); daß die Gotteslästerungen — in Wort und Schrift und Bild, zeitweise zahlreich wie der Sand am Meere — zum Schweigen gebracht werden; daß dem trotzenden Prometheusgeist der Gottesverneiner, Gottesverächter und Gottes­hasser gegenüber das Sühnegebet der Gläubigen nie erlahme, das wie Rauchwerk Stunde um Stunde zum Allerhöchsten emporsteigt und Seine strafende Hand aufhält.
Wir danken Euch, Ehrwürdige Brüder, Euren Priestern und all den Gläubigen, die in der Verteidigung der Majestätsrechte Gottes gegen ein angriffslüsternes, von einflußreicher Seite leider vielfach begünstigtes Neuheidentum ihre Christenpflicht erfüllt haben und erfüllen. Dieser Dank sei doppelt innig und mit anerkennender Bewunderung für diejenigen verknüpft, die in Ausübung dieser ihrer Pflicht gewürdigt wurden, um Gottes willen irdische Opfer und irdisches Leid auf sich nehmen zu dürfen.
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Reiner Christusglaube
den Alten Bund im Neuen Bunde seine Erfüllung, sein Ende und seine Überhöhung finden ließ.
Der im Evangelium Jesu Christi erreichte Höhepunkt der Offene barung ist endgültig, ist verpflichtend für immer. Diese Offenbarung kennt keine Nachträge durch Menschenhand, kennt erst recht keinen Ersatz und keine Ablösung durch die willkürlichen „Offen­barungen", die gewisse Wortführer der Gegenwart aus dem so­genannten Mythus von Blut und Rasse herleiten wollen. Seitdem Christus der Gesalbte das Werk der Erlösung vollbracht, die Herr­schaft der Sünde gebrochen und uns die Gnade verdient hat, Kinder Gottes zu werden — seitdem ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den sie selig werden können, als der Name Jesus (Apg.4, 12). Kein Mensch — möge auch alles Wissen, alles Können, alle äußerliche Macht der Erde in ihm ver­körpert seih, kann einen, andern Grund legen als den, der in Christus bereits gelegt ist (1. Kor. 3, 11). Wer in sakrilegischer Verkennung der zwischen Gott und Geschöpf, zwischen dem Gottmenschen und den Menschenkindern klaffenden Wesensunterschiede irgendeinen Sterblichen, und wäre er der Größte aller Zeiten, neben Christus zu stellen wagt, oder gar über Ihn und gegen Ihn, der muß sich sagen lassen, daß er ein Wahnprophet ist, auf den das Schriftwort erschütternde Anwendung findet: „Der im Himmel wohnt, lachet ihrer" (Ps., 2, 4).
Kein Gottesglaube wird sich auf die Dauer rein und unverfälscht erhalten, wenn er nicht gestützt wird vom Glauben an Christus. „Niemand kennt den Sohn außer dem Vater, und niemand kennt den Vater außer dem Sohn, und wem es der Sohn offenbaren will" (Matth. 11,27). „Das ist das ewige Leben, daß sie Dich erkennen, den" allein wahren Gott, und den Du gesandt hast, Jesus Christus" (Joh. 17,3). Es darf also niemand sagen: Ich bin gottgläubig, das ist mir Religion genug. Des Heilands Wort hat für Ausflüchte dieser Art keinen Platz. ,,Wer den Sohn leugnet, hat auch nicht den Vater; wer den Sohn bekennt, hat auch den Vater" (1. Joh. 2, 23). In Jesus Christus, dem menschgewordenen Gottessohn, ist die Fülle der göttlichen Offenbarung erschienen. „Auf vielerlei Art und in verschiedenen Formen hat Gott einst zu den Vätern durch die Pro­pheten gesprochen. In der Fülle der Zeiten hat er zu uns und durch den Sohn geredet" (Hebr. 1, 1 f.). Die heiligen Bücher des Alten Bundes sind ganz Gottes Wort, ein organischer Teil Seiner Offen­barung. Der stufenweisen Entfaltung der Offenbarung entsprechend, liegt auf ihnen noch der Dämmer der Vorbereitungszeit auf den vollen Sonnentag der Erlösung. Wie es bei Geschichts- und Gesetz­büchern nicht anders sein kann, sind sie in manchen Einzelheiten ein Spiegelbild menschlicher Unvollkommenheit, Schwäche und Sünde. Neben unendlich vielem Hohen und Edlen erzählen sie auch von der Veräußerlichung und Verweltlichung, die in dem die Offen­barung und die Verheißung Gottes tragenden alttestamentlichen Bundesvolk immer wieder hervorbrachen. Für jedes nicht durch Vorurteil und Leidenschaft geblendete Auge leuchtet jedoch aus dem menschlichen Versagen, von dem die biblische Geschichte be­richtet, um so strahlender das Gotteslicht der über alle Fehle und Sünde letztlich triumpierenden Heilsführung hervor. Gerade auf solchem, oft düsterem Hintergrund wächst die Heilspädagogik des Ewigen in Perspektiven hinein, die wegweisend, warnend, erschüt­ternd, erhebend und beglückend zugleich sind. Nur Blindheit und Hochmut können ihr Auge vor den heilserzieherischen Schätzen verschließen, die das Alte Testament birgt. Wer die biblische Ge­schichte und die Lehrweisheit des Alten Bundes aus Kirche und Schule verbannt sehen will, lästert das Wort Gottes, lästert den Heilsplan des Allmächtigen, macht enges und beschränktes Menschen­denken zum Richter über göttliche Geschichtsplanung. Er verneint den Glauben an den wirklichen, im Fleische erschienenen Christus, der die menschliche Natur aus dem Volke annahm, das ihn ans Kreuz schlagen sollte. Er steht verständnislos vor dem Weltdrama des Gottessohnes, welcher der Meintat seiner Kreuziger die hohe­priesterliche Gottestat des Erlösertodes entgegensetzte und damit
Reiner Kirchenglaube
Der Christusglaube wird sich nicht rein und unverfälscht erhalten, wenn er nicht gestützt und umhegt wird vom Glauben an die Kirche, „die Säule und Grundfeste der Wahrheit" (1. Tim. 3, 15). Christus selbst, Gott hochgelobt in Ewigkeit, hat diese Säule des Glaubens aufgerichtet. Sein Gebot, die Kirche zu hören (Matth.18,17), aus den Worten und Geboten der Kirche Seine eigenen Worte und Gebote herauszuhören (Luk. 10, 16), gilt für die Menschen aller Zeiten und Zonen. Die von dem Erlöser gestiftete Kirche ist eine — für alle Völker und Nationen. Unter ihrem Kuppelbau, der wie Gottes Firmament die ganze Erde überwölbt, ist Platz und Heimat für alle Völker und Sprachen, ist Raum für die Entfaltung aller von Gott dem Schöpfer und Erlöser in die einzelnen und in die •Volksgemeinschaften hineingelegten besonderen Eigenschaften, Vor­züge, Aufgaben und Berufungen. Das Mutterherz der Kirche ist weit und groß genug, um in der gottgemäßen Entfaltung solcher Eigenarten und Eigengaben mehr den Reichtum der Mannigfaltigkeit zu sehen als die Gefahr von Absonderungen. Sie freut sich des geistigen Hochstands der einzelnen und der Völker. Sie sieht in ihren echten Leistungen mit Mutterfreude und Mutterstolz Er-
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2 Mit brennender Sorge
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Ziehungsfrüchte und Fortschritte, die sie segnet und fördert, wo immer sie es im Gewissen kann. Aber sie weiß auch, daß dieser Freiheit. Grenzen gezogen sind durch die Majestät des Gottesgebotes, das diese Kirche in allem "Wesenhaften als untrennbare Einheit ge­wollt und gegründet hat. Wer an diese Einheit und Untrennbarkeit rührt, nimmt der Braut Christi eines der Diademe, mit denen Gott selbst sie gekrönt hat. Er unterwirft ihren auf ewigen Funda­menten ruhenden Gottesbau der Überprüfung und Umgestaltung durch Baumeister, denen der Vater im Himmel keine Bauvollmacht erteilt hat. Die göttliche Sendung der Kirche, die unter Menschen wirkt und
durch Menschen wirken muß, mag schmerzlich verdunkelt werden durch das Menschlich-Allzumenschliche, das zuzeiten immer und
• immer wieder als Unkraut unter dem Weizen des Gottesreiches durchwuchert. Wer des Heilands Wort über die Ärgernisse und die Ärgernisgeber kennt, weiß, wie die Kirche und wie jeder ein­zelne über das zu urteilen hat, was Sünde war und Sünde ist. Wer aber über diesen verurteilenswerten Abweichungen zwischen Glauben und Leben, zwischen Wort und Tat, zwischen äußerer Haltung und innerer Gesinnung bei einzelnen — und wären es ihrer auch viele — die Unsumme von echtem Tugendstreben, von Opfersinn, von Bruderliebe, von heldenhaftem Heiligkeitsdrang vergißt oder gar wissentlich verschweigt, der enthüllt eine be­dauernswerte Blindheit und Ungerechtigkeit. Wenn dann vollends erkennbar wird, daß er den harten Maßstab, den er an die gehaßte Kirche anlegt, in demselben Augenblick vergißt, wo es sich um Gemeinschaften anderer Art handelt, die ihm aus Gefühl oder Inter­esse nahestehen, dann offenbart er sich in seinem angeblich ver­letzten Reinlichkeitsgefühl als verwandt mit denen, die nach des Heilands schneidendem Wort über dem Splitter im Auge des Bru­ders den Balken im eigenen Auge übersehen. So wenig rein aber auch die Absicht derer ist, die aus der Beschäftigung mit dem Menschlichen in der Kirche einen Beruf, vielfach sogar ein niedriges Geschäft machen, und obgleich die in Gott ruhende Gewalt des kirchlichen Amtsträgers nicht abhängig ist von seiner menschlichen und sittlichen Höhe, so ist doch keine Zeitepoche, kein einzelner, keine Gemeinschaft frei von der Pflicht ehrlicher Gewissens­erforschung, unerbittlicher Läuterung, durchgreifender Erneuerung in Gesinnung und Tat. In Unserer Enzyklika über das Priestertum, in Unseren Sendschreiben über die Katholische Aktion haben Wir mit beschwörender Eindringlichkeit auf die heilige Pflicht aller An­gehörigen der Kirche, und allen voran der Angehörigen des Priester-und Ordensstandes und des Laienapostolats hingewiesen, Glaube und Lebensführung in die von Gottes Gesetz geforderte, von der Kirche mit nimmermüdem Nachdruck verlangte Übereinstimmung zu bringen. Und auch heute wiederholen Wir mit tiefem Ernst:
Es genügt nicht, zur Kirche Christi zu zählen. Man muß auch lebendiges Glied dieser Kirche sein — im Geiste und in der Wahr­heit. Und das sind nur die, die in der Gnade des Herrn stehen und unausgesetzt in Seiner Gegenwart wandeln — in Unschuld oder in aufrichtiger und tätiger Buße. Wenn der Völkerapostel, das „Gefäß der Auserwählung", seinen Leib unter der Zuchtrute der Abtötung hielt, um nicht, nachdem er andern gepredigt, selbst ver­worfen zu werden (1. Kor. 9, 27), kann es dann für die übrigen, in deren Hände die Wahrung und Mehrung des Reiches Gottes gelegt ist, einen anderen Weg geben als den der innigsten Verbindung von Apostolat und Selbstheiligung? Nur so wird der Menschheit von heute und in erster Linie den Widersachern der Kirche gezeigt, daß das Salz der Erde, daß der Sauerteig des Christentums nicht schal geworden, sondern fähig und bereit ist, den in Zweifel und Irrtum, in Gleichgültigkeit und geistiger Ratlosigkeit, in Glaubens­müdigkeit und Gottesferne befangenen Menschen der Gegenwart die seelische Erneuerung und Verjüngung zu bringen, deren sie — ob eingestanden oder geleugnet — dringender bedürfen als je zuvor. Eine sich in allen ihren Gliedern auf sich selbst besinnende, jede Veräußerlichung und Verweltlichung abstreifende, mit den Geboten Gottes und der Kirche ernst machende, in Gottesliebe und tätiger Nächstenliebe sich bewährende Christenheit wird der im tiefsten Grunde kranken, nach Halt und Wegweisung suchenden Welt Vorbild und Führerin sein können und müssen, wenn nicht unsagbares Unglück, wenn nicht ein alle Vorstellungen hinter sich lassender Niedergang hereinbrechen soll.
Jede wahre und dauernde Reform ging letzten Endes vom Heiligtum aus; von Menschen, die von der Liebe zu Gott und dem Nächsten entflammt und getrieben waren. Aus ihrer großmütigen Bereitschaft heraus, auf jeden Ruf Gottes zu hören und ihn zunächst in sich selbst zu verwirklichen, sind sie in Demut und mit der Selbstsicherheit von Berufenen zu Leuchten und Erneuerern ihrer Zeit herangewachsen. Wo der Reformeifer nicht aus dem reihen Schoß persönlicher Lauter­keit geboren wurde, sondern Ausdruck und Ausbruch leidenschaft­licher Anwandlungen war, hat er verwirrt, statt zu klären; nieder­gerissen statt aufzubauen; ist er nicht selten der Ausgangspunkt für Irrwege gewesen, die verhängnisvoller waren als die Schäden, die man zu bessern beabsichtigte oder vorgab. Gewiß — Gottes Geist weht, wo Er will (Joh. 3, 8). Er kann sich aus Steinen Wegbereiter seiner Absichten erwecken (Matth. 3, 9; Luk. 3, 8). Er wählt die Werkzeuge Seines Willens nach eigenen Plänen und nicht nach denen der Menschen Aber Er, der die Kirche gegründet und sie im Pfingststurm ins Dasein gerufen hat, Er sprengt nicht das Grund-gefüge der von Ihm selbst gewollten Heilsstiftung. Wer vom Geiste Gottes getrieben ist, hat von selbst die gebührende innere und äußere Haltung gegenüber der Kirche, der Edelfrucht am Baume des Kreu-
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zes, dem Pfingstgeschenk des Gottesgeistes an die führungsbedürf­tige Welt.
In Euren Gegenden, Ehrwürdige Brüder, werden in immer stärkerem Chor Stimmen laut, die zum Austritt aus der Kirche aufrufen. Unter den Wortführern sind vielfach solche, die durch ihre amtliche Stel­lung den Eindruck zu erwecken suchen, als ob dieser Kirchenaustritt und die damit verbundene Treulosigkeit gegen Christus den König eine besonders überzeugende und verdienstvolle Form des Treu­bekenntnisses zu dem gegenwärtigen Staate darstelle. Mit verhüllten und sichtbaren Zwangsmaßnahmen, Einschüchterungen, Inaussicht­stellung wirtschaftlicher, beruflicher, bürgerlicher und sonstiger Nachteile wird die Glaubenstreue der Katholiken und insbesondere gewisser Klassen katholischer Beamten unter einen Druck gesetzt, der ebenso rechtswidrig wie menschlich unwürdig ist. Unser ganzes väterliches Mitgefühl und tiefstes Mitleid begleitet diejenigen, die ihre Treue zu Christus und Kirche um so hohen Preis bezahlen müssen. Aber — hier ist der Punkt erreicht, wo es um Letztes und Höchstes, um Rettung oder Untergang geht, und wo infolgedessen dem Gläubigen der Weg heldenmütigen Starkmutes der einzige Weg des Heiles ist. Wenn der Versucher oder Unterdrücker an ihn heran­tritt mit dem Judasansinnen des Kirchenaustritts, dann kann er ihm nur — auch um den Preis schwerer irdischer Opfer — das Heilands­wort entgegenhalten: „Weiche von mir, Satan, denn es steht ge­schrieben: den Herrn deinen Gott sollst du anbeten und Ihm allein dienen" (Matth. 4,10; Luk. 4, 8)V Zu der Kirche aber wird er sprechen: Du meine Mutter von den Tagen meiner Kindheit an, mein Trost im Leben, meine Fürbitterin im Sterben — mir soll die Zunge am Gaumen kleben, wenn ich — irdischen Lockungen oder Drohungen weichend — an meinem Taufgelübde zum Verräter würde. Solchen aber, die vermeinen, sie könnten mit äußerlichem Kirchenaustritt das innere Treuverhältnis zur Kirche verbinden, möge des Heilands Wort ernste Warnung sein: „Wer mich vor den Menschen ver­leugnet, den werde auch ich vor meinem Vater verleugnen, der im Himmel ist" (Luk. 12, 9).
einander in einem geheiligten Zusammenhang. Echte und legale Autorität ist überall ein Band der Einheit, eine Quelle der Kraft, eine Gewähr gegen Zerfall und Splitterung, eine Bürgschaft der Zu­kunft; im höchsten und hehrsten Sinne da, wo, wie einzig bei der Kirche, solcher Autorität die Gnadenführung des Hl. Geistes, Sein unüberwindlicher Beistand verheißen ist. Wenn Leute, die nicht ein­mal im Glauben an Christus einig sind, euch das Wunsch- und Lock­bild einer deutschen Nationalkirche vorhalten, so wisset: sie ist nichts als eine Verneinung der einen Kirche Christi, ein offen­kundiger Abfall von dem an die ganze Welt gerichteten Missions-befehl. dem nur eine Weltkirche genügen und nachleben kann. Der geschichtliche Weg anderer Nationalkirchen, ihre geistige Erstar­rung, ihre Umklammerung oder Knechtung durch irdische Gewalten zeigen die hoffnungslose Unfruchtbarkeit, der jeder vom lebendigen Weinstock der Kirche sich abtrennende Rebzweig mit unentrinn­barer Sicherheit anheimfällt. Wer solchen Fehlentwicklungen daher gleich von den ersten Anfängen an sein wachsames und unerbitt­liches Nein entgegensetzt, dient nicht nur der Reinheit seines Christenglaubens, sondern auch der Gesundheit und Lebenskraft seines Volkes.
Keine Umdeutung heiliger Worte und Begriffe
Ein besonders wachsames Auge, Ehrwürdige Brüder, werdet Ihr haben müssen, wenn religiöse Grundbegriffe ihres Wesensinhaltes beraubt und in einem profanen Sinne umgedeutet werden. Offenbarung im christlichen Sinn ist das Wort Gottes an die Men­schen. Dieses gleiche Wort zu gebrauchen für die „Einflüsterungen" von Blut und Rasse, für die Ausstrahlungen der Geschichte eines Volkes ist in jedem Fall verwirrend. Solch falsche Münze verdient nicht, in den Sprachschatz eines gläubigen Christen überzugehen. Glaube ist das sichere Fürwahrhalten dessen, was Gott geoffenbart hat und durch die Kirche zu glauben vorstellt: „die feste Über­zeugung vom Unsichtbaren" (Hebr. 11, 1). Das freudige und stolze Vertrauen auf die ;Zukunft seines Volkes, das jedem teuer ist, be­deutet etwas ganz anderes als der Glaube im religiiösen Sinne. Das eine gegen das andere ausspielen, das eine durch das andere er­setzen wollen und daraufhin verlangen, von dem überzeugten Christen als „gläubig" anerkannt zu werden, ist ein leeres Spiel mit Worten oder bewußte Grenzverwischung oder Schlimmeres. Unsterblichkeit im christlichen Sinn ist das Fortleben des Menschen nach dem irdischen Tode als persönliches Einzelwesen — zum ewigen Lohn oder zur ewigen Strafe; Wer mit dem Worte Unsterblichkeit nichts anderes bezeichnen will als das kollektive Mitfortleben im Weiterbestand seines Volkes für eine unbestimmt lange Zukunft im
Reiner Glaube an den Primat
Der Kirchenglaube wird nicht rein und unverfälscht erhalten, wenn er nicht gestützt wird vom Glauben an den Primat des. Bischofs von . Rom. In dem gleichen Augenblick, wo Petrus, allen Aposteln und Jüngern voran, den Glauben an Christus, den Sohn des lebendigen Gottes, bekannte, war die seinen Glauben und sein Bekenntnis be­lohnende Antwort Christi das Wort von dem Bau Seiner Kirche, der einen Kirche, und zwar auf Petrus dem Felsen (Matth. .16, 18). Der Glaube an Christus, an die Kirche, an den Primat stehen also mit-
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Diesseits, der verkehrt und verfälscht eine der Grundwahrheiten christlichen Glaubens, rührt an die Fundamente jeder religiösen, eine sittliche Weltordnung fordernden Weltanschauung. Wenn er nicht Christi sein will, sollte er wenigstens darauf verzichten, den Wortschatz seines Unglaubens aus christlichem Begriffsgut zu be­reichern.
Erbsünde ist die erbliche, wenn auch nicht persönliche Schuld der Nachkommen Adams, die in ihm gesündigt haben (Rom. 5, 12), Ver­lust der Gnade und damit des ewigen Lebens, mit dem Hang zum Bösen, den jeder durch Gnade, Buße, Kampf, sittliches Streben zurück­drängen und überwinden muß. Das Leiden und Sterben des Gottes­sohnes hat die Welt vom Erbfluch der Sünde und des Todes erlöst. Der Glaube an diese Wahrheiten, denen heute in Eurem Vaterlände der billige Spott der Christusgegner gilt, gehört zum unveräußer­lichen Bestand der christlichen Religion.
Das Kreuz Christi, mag auch schon sein bloßer Name vielen eine Torheit und ein Ärgernis geworden sein (1. Kor. 1, 23), es bleibt für den Christen das geheiligte Zeichen der Erlösung, die Standarte sittlicher Größe und Kraft. In seinem Schatten leben wir. In seinem Kusse sterben wir. Auf unserem Grabe soll es stehen als Künder unseres Glaubens, als Zeuge unserer dem ewigen Licht zugewandten Hoffnung.
Demut im Geist des Evangeliums und Gebet um Gottes Gnadenhilfe sind mit Selbstachtung, Selbstvertrauen und heldischem Sinn wohl vereinbar. Die Kirche Christi, die zu allen Zeiten bis in die jüngste Gegenwart hinein mehr Bekenner und freiwillige Blutzeugen zählt als irgendwelche andere Gesinnungsgemeinschaft, hat nicht nötig, von solcher Seite Belehrungen über Heldengesinnung und Helden­leistung entgegenzunehmen. In seinem seichten Gerede über christ­liche Demut als Selbstentwürdigung und unheldische Haltung spottet der widerliche Hochmut dieser Neuerer seiner selbst. Gnade im uneigentlichen Sinne mag alles genannt werden, was dem Geschöpf vom Schöpfer zukommt. Gnade im eigentlichen und christ­lichen Sinne des Wortes umfaßt jedoch die übernatürlichen Erweise göttlicher Liebe, die Huld und das Wirken Gottes, durch das Er den Menschen zu jener innersten Lebensgemeinschaft mit Sich erhebt, die das Neue Testament Gotteskindschaft nennt. „Seht, wie große Liebe der Vater uns erwiesen hat: Wir heißen Kinder Gottes, und wir sind es auch" (1. Joh. 3, 1). Die Ablehnung dieser übernatür­lichen Gnadenerhebung aus angeblich deutscher Wesensart heraus ist Irrtum, eine offene Kampfansage an eine Kernwahrheit des Christentums. Die Gleichsetzung der übernatürlichen Gnade mit den Gaben der Natur ist Eingriff in den durch die Religion geschaffenen und geweihten Wortschatz. Die Hirten und Hüter des Volkes Gottes werden gut daran tun, diesem Raub am Heiligtum und dieser Arbeit an der Verwirrung der Geister mit Wachsamkeit entgegenzuwirken.
Sittenlehre und sittliche Ordnung
Auf dem wahren und rein bewahrten Gottesglauben ruht die Sittlich­keit der Menschheit. Alle Versuche, die Sittenlehre und die sittliche Ordnung vom Felsenboden des Glaubens abzuheben und auf, dem wehenden Flugsand menschlicher Normen aufzubauen, führen früher oder später einzelne und Gemeinschaften in moralischen Nieder­gang. Der Tor, der in seinem Herzen spricht, es gibt keinen Gott, wird Wege der sittlichen Verdorbenheit wandeln (Ps. 13, 1 f.). Die Zahl solcher Toren, die heute sich unterfangen, Sittlichkeit und Reli­gion zu trennen, ist Legion geworden. Sie sehen nicht oder wollen nicht sehen, daß mit der Verbannung des bekenntnismäßigen, d. h. klar und bestimmt gefaßten Christentums aus Unterricht und Er­ziehung, aus der Mitgestaltung des gesellschaftlichen und öffent­lichen Lebens Wege der geistigen Verarmung und des Niedergangs beschritten werden. Keine Zwangsgewalt des Staates, keine rein irdischen, wenn auch in sich edlen und hohen Ideale, werden auf die Dauer imstande sein, die aus dem Gottes- und dem Christusglauben kommenden letzten und entscheidenden Antriebe zu ersetzen. Nimmt man dem zu höchsten Opfern, zur Hingabe des kleinen Ich an das Gemeinwohl Aufgerufenen den sittlichen Rückhalt aus dem Ewigen und Göttlichen, aus dem aufrichtenden und tröstenden Glauben an den Vergelter alles Guten und Ahnder alles Bösen — dann wird für Ungezählte das Endergebnis nicht sein die Bejahung der Pflicht, sondern die Flucht vor ihr. Die gewissenhafte Beobachtung der zehn Gebote Gottes und der Kirchengebote, welch letztere nichts anderes sind als Ausführungsbestimmungen zu den Normen des Evangeliums, ist für jeden Einzelmenschen eine unvergleichliche Schule planvoller Selbstzucht, sittlicher Ertüchtigung und Charakterformung. Eine Schule, die viel verlangt; aber nicht zuviel. Der gütige Gott, der als Gesetzgeber spricht: „Du sollst", gibt in seiner Gnade auch das Können und Vollbringen. Sittlichkeitsbildende Kräfte von so starker Tiefenwirkung ungenützt lassen oder ihnen den Weg in die Bezirke der Volkserziehung gar bewußt versperren, ist unverantwortliche Mitwirkung an der religiösen Unterernährung der Volksgemein­schaft. Die Auslieferung der Sittenlehre an subjektive, mit den Zeit­strömungen wechselnde Menschenmeinung, statt ihrer Verankerung im heiligen Willen des ewigen Gottes, in Seinen Geboten, öffnet zersetzenden Kräften Tür und Tor. Die hiermit eingeleitete Preis­gabe der ewigen Richtlinien einer objektiven Sittenlehre zur Schu­lung der Gewissen, zur Veredlung aller Lebensbereiche und Lebens­ordnungen ist eine Sünde an der Zukunft des Volkes, deren bittere Früchte die kommenden Geschlechter werden kosten müssen.
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Anerkennung des Naturrechts
die Gemeinschaft ruht", und gefährdet damit Ruhe, Sicherheit, ja Be­stand der Gemeinschaft selbst.
Der gläubige Mensch hat ein unverlierbares Recht, seinen Glauben zu bekennen und in den ihm gemäßen Formen zu betätigen. Gesetze, die das Bekenntnis und die Betätigung dieses Glaubens unter­drücken oder erschweren, stehen im Widerspruch mit einem Natur­gesetz.
Gewissenhafte, ihrer erzieherischen Pflicht bewußte Eltern haben ein erstes und ursprüngliches Recht, die Erziehung der ihnen von Gott geschenkten Kinder im Geiste des wahren G1aubens und in Übereinstimmung mit seinen Grundsätzen und Vorschriften zu be­stimmen. Gesetze oder andere Maßnahmen, die diesen naturrecht­lich gegebenen Elternwillen in Schulfragen ausschalten oder durch Drohung und Zwang unwirksam machen, stehen im Widerspruch zum Naturrecht und sind im tiefsten und letzten Kern unsittlich. Die Kirche, die berufene Hüterin und Auslegerin des göttlichen Naturrechts, kann daher gar nicht anders, als die im Zustand noto­rischer Unfreiheit erfolgten Schuleinschreibungen der jüngsten Ver­gangenheit als ein Zwangsprodukt zu erklären, dem jeglicher Rechts­charakter abgeht.
                           An die Jugend           
Als Stellvertreter dessen, der im Evangelium zu einem Jungmann gesprochen hat: „Willst du zum Leben eingehen, so halte die Ge­bote" (Matth. 19, 17), richten Wir ein besonders väterliches Wort an die Jugend.
Von tausend Zungen wird heute vor euren Ohren ein Evangelium verkündet, das nicht vom Vater im Himmel geoffenbart ist. Tausend Federn schreiben im Dienst eines Scheinchristentums, das nicht das Christentum Christi ist. Druckerpresse und Radio überschütten euch Tag für Tag mit Erzeugnissen glaubens- und kirchenfeindlichen In­halts und greifen rücksichts- und ehrfurchtslos an, was euch hehr und heilig sein muß.
Wir wissen, daß viele, viele von euch um der Treue zu Glauben und Kirche, um der Zugehörigkeit zu kirchlichen, im Konkordat ge­schützten Vereinigungen willen düstere Zeiten der Verkennung, der Beargwöhnung, der Schmähung, der Verneinung euerer vaterländi­schen Treue, vielfacher Schädigung im beruflichen und gesellschaft­lichen Leben ertragen mußten und müssen. Es ist Uns nicht unbe­kannt, wie mancher ungenannte Soldat Christi in euren Reihen steht, der trauernden Herzens, aber erhobenen Hauptes sein Schicksal trägt und Trost allein findet in dem Gedanken, für den Namen Jesu Schmach zu leiden (Apg. 5, 41).
Heute, wo neue Gefahren drohen und neue Spannungen; sagen Wir dieser Jugend: „Wenn jemand euch ein anderes Evangelium ver-
Im verhängnisvollen Zug der Zeit liegt es, wie die Sittenlehre, so auch die Grundlegung des Rechtslebens und der Rechtspflege vom wahren Gottesglauben und von den geoffenbarten Gottesgeboten mehr und mehr abzulösen. Wir denken hier besonders an das soge­nannte Naturrecht, das vom Finger des Schöpfers selbst in die Tafeln des Menschenherzens gesehrieben wurde (Röm. 2, 14 f.) und von der gesunden, durch Sünde und Leidenschaft nicht verblendeten Ver­nunft von diesen Tafeln abgelesen werden kann. An den Geboten dieses Naturrechts kann jedes positive Recht, von welchem Gesetz­geber es auch kommen mag, auf seinen sittlichen Gehalt, damit auf seine sittliche Befehlsmacht und Gewissensverpflichtung nachgeprüft werden. Menschliche Gesetze, die mit dem Naturrecht in unlösbarem Widerspruch stehen, kranken an einem Geburtsfehler, den kein Zwangsmittel, keine äußere Machtentfaltung sanieren kann. Mit diesem Maßstab muß auch der Grundsatz: "Recht ist, was dem Volke nützt" gemessen werden. Zwar kann dem Satz ein rechter Sinn ge­geben werden, wenn man unterstellt, daß sittlich Unerlaubtes nie dem wahren Wohle des Volkes zu dienen vermag. Indes hat schon das alte Heidentum erkannt, daß der Satz, um völlig richtig zu sein, eigentlich umgekehrt werden und lauten muß: „Nie ist etwas nütz­lich, wenn es nicht gleichzeitig sittlich gut ist. Und nicht weil nütz­lich, ist es sittlich gut, sondern weil sittlich gut, ist es auch nützlich"' (Cicero, De officiis 3, 30). Von dieser Sittenregel losgelöst, würde jener Grundsatz im zwischenstaatlichen Leben den ewigen Kriegs­zustand zwischen den verschiedenen Nationen bedeuten. Im inner­staatlichen Leben verkennt er, Nützlichkeits- und Rechtserwägungen miteinander verquickend, die grundlegende Tatsache, daß der Mensch als Persönlichkeit gottgegebene Rechte besitzt, die jedem auf ihre Leugnung, Aufhebung oder Brachlegung abzielenden Ein­griff von seiten der Gemeinschaft entzogen bleiben müssen. Die Miß­achtung dieser Wahrheit übersieht, daß das wahre Gemeinwohl letzt­lich bestimmt und erkannt wird aus der Natur des Menschen mit ihrem harmonischen Ausgleich zwischen persönlichem Recht und sozialer Bindung sowie aus dem durch die gleiche Menschennatur bestimmten Zweck der Gemeinschaft. Die Gemeinschaft ist vom Schöpfer gewollt als Mittel zur vollen Entfaltung der individuellen und sozialen Anlagen, die der Einzelmensch, gebend und nehmend, zu seinem und aller anderen Wohl auszuwerten hat. Auch jene um­fassenderen und höheren Werte, die nicht vom einzelnen, sondern nur von der Gemeinschaft verwirklicht werden können, sind vom Schöpfer letzten Endes des Menschen halber gewollt, zu seiner natürlichen und übernatürlichen Entfaltung und Vollendung. Ein Ab­weichen von dieser Ordnung rüttelt an den Tragpfeilern, auf denen
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künden wollte als jenes, das ihr empfangen habt" — auf den Knien einer frommen Mutter, von den Lippen eines gläubigen Vaters, aus dem Unterricht eines seinem Gotte und seiner Kirche treuen Er­ziehers — „der sei ausgeschlossen" (Gal. 1, 9). Wenn der Staat eine Staatsjugend gründet, die Pflichtorganisation für alle sein soll, dann ist es — unbeschadet der Rechte der kirchlichen Vereinigungen — selbstverständlicher und unveräußerlicher Rechtsanspruch der Jung-mannen selbst und ihrer für sie vor Gott verantwortlichen Eltern, zu fordern, daß diese Pflichtorganisation von all den Betätigungen Christentums- und kirchenfeindlichen Geistes gesäubert werde, die bis in die jüngste Vergangenheit, ja bis in die Gegenwart hinein die gläubigen Eltern in unlösbare Gewissenskonflikte zwingen, da sie dem Staat nicht geben können, was im Namen des Staates verlangt wird, ohne Gott zu rauben, was Gottes ist.
Niemand denkt daran, der Jugend Deutschlands Steine in den Weg zu legen, der sie zur Verwirklichung wahrer Volksgemeinschaft führen soll, zur Pflege edler Freiheitsliebe, zu unverbrüchlicher Treue gegen das Vaterland. Wogegen Wir Uns wenden und Uns wenden müssen, ist der gewollte und planmäßig geschürte Gegensatz, den man zwischen diesen Erziehungszielen und den religiösen aufreißt. Und darum rufen Wir dieser Jugend zu: Singt eure Freiheitslieder; aber vergeßt über ihnen nicht die Freiheit der Kinder Gottes! Laßt den Adel dieser unersetzbaren Freiheit nicht hinschwinden in den Sklavenketten der Sünde und Sinnenlust. Wer das Lied der Treue zum irdischen Vaterland singt, darf nicht in Untreue an seinem Gott, an seiner Kirche, an seinem ewigen Vaterland zum Überläufer und Verräter werden. Man redet zu euch viel von heldischer Größe— in bewußtem und unwahrem Gegensatz zur Demut und Geduld des Evangeliums. Warum verschweigt man euch, daß es auch ein Helden­tum gibt im sittlichen Kampf? Daß die Bewahrung der Reinheit des Tauftages eine heldische Tat darstellt, die im religiösen und im natürlichen Bereich der verdienten Wertung sicher sein sollte? Man redet euch viel vor von menschlichen Schwächen in der Geschichte der Kirche. Warum verschweigt man euch die Großtaten, die ihren Weg durch die Jahrhunderte begleiteten, die Heiligen, die sie hervor­brachte, den Segen, der aus der lebendigen Verbindung zwischen dieser Kirche und eurem Volke für die abendländische Kulturwelt floß? Man redet zu euch viel von sportlichen Übungen. Mit Maß und Ziel betrieben, bedeutet die körperliche Ertüchtigung eine Wohl­tat für die Jugend. Ihrem Betätigungsraum wird jetzt aber vielfach ein Umfang gegeben, der weder der harmonischen Gesamtausbildung von Körper und Geist, noch der gebührenden Pflege des Familien­lebens, noch dem Gebot der Sonntagsheiligung Rechnung trägt. Mit einer an Nichtachtung grenzenden Gleichgültigkeit werden dem Tag des Herrn so seine Weihe und Sammlung genommen, wie sie bester deutscher Überlieferung entsprechen. Wir erwarten vertrauensvoll
von der gläubigen katholischen Jugend, daß sie in der schwierigen Umwelt der staatlichen Pflichtorganisationen ihr Recht auf christ­liche Sonntagsheiligung nachdrücklich geltend macht, daß sie über der Ertüchtigung des Leibes ihrer unsterblichen Seele nicht vergißt, daß sie sich nicht vom Bösen überwinden läßt, vielmehr durch das Gute das Böse zu überwinden trachtet (Röm. 12, 21), daß ihr höchster und heiligster Ehrgeiz der bleibt, in der Rennbahn des ewigen Lebens den Siegerkranz zu erringen (1. Kor. 9, 24 f.).
An die Priester und Ordensleute
Ein besonderes Wort der Anerkennung, der Aufmunterung, der Mahnung richten Wir an die Priester Deutschlands, denen in Unter­ordnung unter ihre Bischöfe in schwerer Zeit und unter harten Um- • ständen die Aufgabe obliegt, der Herde Christi die rechten Wege zu weisen in Lehre und Beispiel, in täglicher Hingabe, in apostolischer Geduld. Werdet" nicht müde, geliebte Söhne und Mitteilhaber an den heiligen Geheimnissen, dem Ewigen Hohenpriester Jesus Christus zu folgen in Seiner Samariterliebe und Samaritersorge. Bewähret euch Tag für Tag in makellosem Wandel vor Gott, in unablässiger Selbst­zucht und Selbstvervollkommnung, in erbarmender Liebe zu allen euch Anvertrauten, insbesondere zu den Gefährdeten, den Schwachen und Schwankenden. Seid die Führer der Treuen, die Stütze der Strau­chelnden, die Lehrer der Zweifelnden, die Tröster der Trauernden; die uneigennützigen Helfer und Berater aller. Die Prüfungen und Leiden, durch die euer Volk in der Nachkriegszeit hindurchgeschritten ist, sind nicht spurlos an seiner Seele vorübergegangen. Sie haben Spannungen und Bitterkeiten hinterlassen, die erst langsam aus­heilen können, deren echte Überwindung nur möglich sein wird im Geiste uneigennütziger und tätiger Liebe. Diese Liebe, die das un­entbehrliche Rüstzeug des Apostels ist, zumal in der aufgewühlten und haßverzerrten Welt der Gegenwart, wünschen und erflehen Wir euch vom Herrn in überreichem Maße. Diese apostolische Liebe wird euch viel unverdiente Bitterkeiten, wenn nicht vergessen, so doch verzeihen lassen, die auf euren Priester- und Seelsorgspfaden heute zahlreicher sind als je zuvor. Diese verstehende und er­barmende Liebe zu den Irrenden, ja selbst zu den Schmähenden be­deutet allerdings nicht und kann nicht bedeuten irgendwelchen Ver­zicht auf die Verkündigung, die Geltendmachung, die mutige Ver­teidigung der Wahrheit und ihre freimütige Anwendung auf die euch umgebende Wirklichkeit. Die erste, die selbstverständlichste Liebesgabe des Priesters an seine Umwelt ist der Dienst an der Wahrheit, und zwar der ganzen Wahrheit, die Entlarvung und Widerlegung des Irrtums, gleich in welcher Form, in welcher Ver­kleidung, in welcher Schminke er einherschreiten mag. Der Verzicht
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hierauf wäre nicht nur ein Verrat an Gott und eurem heiligen Beruf; er wäre auch eine Sünde an der wahren Wohlfahrt eures Volkes und Vaterlandes. All denen, die ihren Bischöfen die bei der Weihe ver­sprochene Treue gehalten, all denen, die wegen Ausübung ihrer Hirtenpflicht Leid und Verfolgung tragen mußten und müssen, folgt —für manche bis in die Kerkerzelle und das Konzentrationslager hinein — der Dank und die Anerkennung des Vaters der Christen­heit.
Den katholischen Ordensleuten beiderlei Geschlechts gilt ebenfalls Unser väterlicher Dank, verbunden mit inniger Anteilnahme an dem Geschick, das infolge ordensfeindlicher Maßnahmen viele von ihnen aus segensreicher und liebgewonnener Berufsarbeit herausgerissen hat. Wenn einzelne gefehlt und sich ihres Berufes unwürdig er­wiesen haben, so mindern ihre auch von der Kirche geahndeten Vergehen nicht die Verdienste der gewaltigen Überzahl, die in Un-eigennützigkeit und freiwilliger Armut bemüht war, ihrem Gott und ihrem Volk mit Hingabe zu dienen. Der Eifer, die Treue, das Tugend­streben, die tätige Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft der in Seel­sorge, Krankendienst und Schule Wirkenden Orden sind und bleiben ein rahmwürdiger Beitrag zur privaten und öffentlichen Wohlfahrt, dem zweifellos eine spätere, ruhigere Zeit mehr Gerechtigkeit wird widerfahren lassen als die aufgewühlte Gegenwart. Wir haben das Vertrauen zu den Leitern der Ordensgenossenschaften, daß sie die Schwierigkeiten und Prüfungen zum Anlaß nehmen, um durch ver­doppelten Eifer, vertieftes Gebetsleben, heiligen Berufsernst und echt klösterliche Zucht von dem Allmächtigen neuen Segen und neue Fruchtbarkeit auf ihre schwere Arbeit herabzurufen,
gottgegebenen Erzieherrechte und Erzieherpflichten stehen gerade im gegenwärtigen Augenblick im Mittelpunkt eines Kampfes, wie er schicksalsvoller kaum gedacht werden kann. Die Kirche Christi kann nicht erst anfangen, zu trauern und zu klagen, wenn die Altäre verwüstet werden, wenn sakrilegische Hände die Gotteshäuser in Rauch und Flammen aufgehen lassen. Wenn man versucht, den Tabernakel der durch die Taufe geweihten Kindesseele durch eine christusfeindliche Erziehung zu entweihen, wenn aus diesem leben­digen Tempel Gottes die ewige Lampe des Christusglaubens heraus­gerissen und an ihrer Statt das Irrlicht eines Ersatzglaubens gesetzt werden soll; der mit dem Glauben des Kreuzes nichts mehr zu tun hat — dann ist die geistige Tempelschändung nahe, dann wird es für jeden bekennenden Christen Pflicht, seine Verantwortung von der der Gegenseite klar zu scheiden, sein Gewissen von jeder schuld­haften Mitwirkung an solchem Verhängnis und Verderbnis freizu­halten. Und je mehr die Gegner sich bemühen, ihre dunklen Ab­sichten abzustreiten und zu beschönigen, um so mehr ist wachsames Mißtrauen am Platze und mißtrauische, durch bittere Erfahrung auf­gerüttelte Wachsamkeit. Die formelle Aufrechthaltung eines, zudem von Unberufenen kontrollierten und gefesselten Religionsunterrichts im Rahmen einer Schule, die in andern Gesinnungsfächern plan­mäßig und gehässig derselben Religion entgegenarbeitet, kann nie­mals einen Rechtfertigungsgrund abgeben, um einer solchen, religiös zersetzenden Schulart die freiwillige Billigung eines gläubigen Christen einzutragen. Wir wissen, geliebte katholische Eltern, daß von einer solchen Freiwilligkeit bei euch nicht die Rede sein kann. Wir wissen, daß eine freie und geheime Abstimmung unter euch gleichbedeutend wäre mit einem überwältigenden Plebiszit für die Bekenntnisschule. Und deshalb werden Wir auch in Zukunft nicht müde werden, den verantwortlichen Stellen die Rechtswidrigkeit der bisherigen Zwangsmaßnahmen, die Pflichtmäßigkeit der Zulassung einer freien Willensbildung freimütig vorzuhalten. Inzwischen ver-geßt eines nicht: Von dem gottgewollten Band der Verantwortung, das euch mit euren Kindern verknüpft, kann keine irdische Gewalt euch lösen. Niemand von denen, die euch heute in euren Erzieher­rechten bedrängen und euch von euren Erzieherpflichten abzulösen vorgeben, wird an eurer Statt dem Ewigen Richter antworten können, wenn Er an euch die Frage richtet: Wo sind die, die Ich dir ge­geben? — Möge jeder von euch antworten können: „Keinen von denen, die Du mir gegeben hast, habe ich verloren" (Joh. 18, 9).
*                                                                                                                                                                                                                                                                                     " *
Ehrwürdige Brüder! Wir sind gewiß, daß die Worte, die Wir in entscheidungsvoller Stunde an Euch und durch Euch an die Katho­liken des Deutschen Reiches richten, in den Herzen und in den Taten
An die Getreuen aus dem Laienstande
Vor Unserem Auge steht die unübersehbar große Schar treuer Söhne und Töchter, denen das Leid der Kirche in Deutschland und ihr eigenes Leid nichts geraubt hat von ihrer Hingabe an die Sache Gottes, nichts von ihrer zärtlichen Liebe gegen den Vater der Christenheit, nichts von ihrem Gehorsam gegen Bischöfe und Priester, nichts von ihrer freudigen Bereitschaft, auch in Zukunft — komme, was da wolle — dem treu zu bleiben, was sie geglaubt und von ihren Voreltern als heiliges Erbe erworben haben. Ihnen allen senden Wir aus gerührtem Herzen Unsern Vatergruß. Allen voran den Mitgliedern der kirchlichen Verbände, die tapfer und um den Preis vielfach schmerzlicher Opfer Christus die Treue hielten und sich nicht bereit fanden, die Rechte preiszugeben, die ein feierliches Abkommen der Kirche und ihnen nach Treu und Glauben gewährleistet hatte. Ein besonders inniger Gruß ergeht an die katholischen Eltern. Ihre
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Unserer treuen Kinder das Echo finden werden, das der liebenden Sorge des gemeinsamen Vaters entspricht. Wenn Wir etwas mit be­sonderer Inbrunst vom Herrn erflehen, dann ist es dies: daß Unsere Worte auch das Ohr und das Herz solcher erreichen und zum Nach­denken stimmen, die bereits begonnen haben, sich von den Lockun­gen und Drohungen derer einfangen zu lassen, die gegen Christus und Sein heiliges Evangelium stehen.
Jedes Wort dieses Sendschreibens haben Wir abgewogen auf der Waage der Wahrheit und zugleich der Liebe. Weder wollten Wir durch unzeitgemäßes Schweigen mitschuldig werden an der man­gelnden Aufklärung, noch durch unnötige Strenge an der Herzens­verhärtung irgendeines von denen, die Unserer Hirtenverantwortung unterstehen und denen Unsere Hirtenliebe deshalb nicht weniger gilt, weil sie zur Zeit Wege des Irrtums und des Fremdseins wandeln. Mögen manche von ihnen, sich den Gepflogenheiten ihrer neuen Um­gebung anpassend, für das verlassene Vaterhaus und den Vater selbst nur Worte der Untreue, des Undanks oder gar der Unbill haben, mögen sie vergessen, was sie hinter sich geworfen haben — der Tag wird kommen, wo das Grauen der Gottesferne und der seelischen Ver­wahrlosung über diesen heute verlorenen Söhnen zusammenschlagen, wo das Heimweh sie zurücktreiben wird zu dem „Gott, der ihre Jugend erfreute", und zu der Kirche, deren Mutterhand sie den Weg zum himmlischen Vater gelehrt hat. Diese Stunde zu beschleunigen, ist der Gegenstand Unserer unaufhörlichen Gebete. So wie andere Zeiten der Kirche wird auch diese der Vorbote neuen Aufstiegs und innerer Läuterung sein, wenn der Bekennerwille und die Leidensbereitschaft der Getreuen Christi groß genug sind, um der physischen Gewalt der Kirchenbedränger die Unbedingtheit eines innigen Glaubens, die Unverwüstlichkeit einer ewigkeits-. sicheren Hoffnung, die bezwingende Allgewalt einer tatstarken Liebe entgegenzustellen. Die heilige Fasten- und Osterzeit, die Verinner-lichung und Buße predigt und des Christen Blick mehr noch als sonst auf das Kreuz, zugleich aber auch auf die Herrlichkeit des Auf­erstandenen richtet, sei für alle und jeden von euch freudig be­grüßter und eifrig genutzter Anlaß, Sinn und Seele mit dem Helden-, dem Dulder-, dem Siegergeist zu erfüllen, der vom Kreuze Christi ausstrahlt. Dann — des sind Wir gewiß — werden die Feinde der Kirche, die ihre Stunde gekommen wähnen, bald erkennen, daß sie zu früh gejubelt und zu voreilig nach der Grabschaufel gegriffen haben. Dann wird der Tag kommen, wo an Stelle verfrühter Sieges­lieder der Christusfeinde aus den Herzen und von den Lippen der Christustreuen das Te Deum der Befreiuung zum Himmel steigen darf; ein Te Deum des Dankes an den Allerhöchsten; ein Te Deum der Freude darüber, daß das deutsche Volk auch in seinen heute irrenden Gliedern den Weg religiöser Heimkehr beschritten hat, daß es in leidgeläutertem Glauben sein Knie wieder beugt vor dem König
der Zeit und Ewigkeit Jesus Christus, und daß es sich anschickt, im Kampf gegen "die Verneiner und Vernichter des christlichen Abend­landes, in Harmonie mit allen Gutgesinnten anderer Völker, den Be­ruf zu erfüllen, den die Pläne des Ewigen ihm zuweisen. Er, der Herz und Nieren durchforscht (Ps. 7, 10), ist Unser Zeuge, daß Wir keinen innigeren Wunsch haben als die Wiederherstellung eines wahren Friedens zwischen Kirche und Staat in Deutschland. Wenn aber — ohne unsere Schuld — der Friede nicht sein soll, dann wird die Kirche Gottes ihre Rechte und Freiheiten verteidigen im Namen des Allmächtigen, dessen Arm auch heute nicht verkürzt ist. Im Vertrauen auf Ihn „hören wir nicht auf, zu beten und zu rufen" (Koloss. 1, 9) für euch, die Kinder der Kirche, daß die Tage der Trüb-, sal abgekürzt und ihr treu erfunden werdet am Tage der Prüfung, und auch für die Verfolger und Bedränger: der Vater alles Lichtes und aller Erbarmung möge ihnen eine Damaskusstunde der Erkennt­nis schenken, für sich und all die vielen, die mit ihnen geirrt haben und irren.
Mit diesem flehentlichen Gebet im Herzen und auf den Lippen erteilen Wir als Unterpfand göttlicher Hilfe, als Beistand in Euren schweren und verantwortungsvollen Entschließungen, als Stärkung im Kampfe, als Trost im Leid Euch, den bischöflichen Hirten Eures treuen Volkes, den Priestern und Ordensieuten, den Laienaposteln der Katholischen Aktion und allen, allen Euren Diözesanen — nicht zuletzt den Kran­ken und Gefangenen — in väterlicher Liebe den Apostolischen Segen.
Gegeben im Vatikan, am Passionssonntag, dem 14. März 1937.
PIUS PP. XI.
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Im Morus -Verlag erschienen ferner:
DOKUMENTE
aus dem Kampf der katholischen Kirche im Bistum
Berlin gegen den Nationalsozialismus
Herausgegeben vom Bischöflichen Ordinariat Berlin
Preis RM 4,80
DER PAPST SPRICHT
Ansprachen und Botschaften Papst Paus' XU. _ in der Kriegs- und Nachkriegszeit Herausgegeben vom Bischöflichen Ordinariat Berlin Preis RM 3,60
*                                                                                     Francis Thompson:
DER JAGDHUND DES HIMMELS
Übertragen und mit einer Einleitung
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Elisabeth Kawa :
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*   . Josef Pieper:
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DES MENSCHLICHEN HERZENS
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